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Ausführliche Berichte über Daverdener Top-Gespann

Bericht aus dem Delmenhorster Kreisblatt vom 01.12.2009

45 Euro für einen Elf-Stunden-Einsatz
Der Delmenhorster Handball-Schiedsrichter Volkmar Hustedt dient dem Sport auf seine Weise
 

„Das Salz in der Suppe sind Bonusspiele wie vor kurzem Aurich gegen Holland oder Achim gegen THW Kiel“, sagt Volkmar Hustedt. „Die muss man sich verdienen und dann gibt es gutes Essen, nette Kontakte und auch einmal Stars zum Anfassen.“ Von Dieter Freese

Delmenhorst. 45 Euro plus Fahrtkosten gibt es für die Leitung eines Handball-Regionalligaspiels. Dafür werden rund acht Stunden reine Fahrzeit für die insgesamt 880 Kilometer nach Naumburg an der Saale sowie rund drei Stunden Aufenthalt am Spielort in Kauf genommen. Nein, das Geld kann nicht der Grund dafür sein, dass der Delmenhorster Schiedsrichter Volkmar Hustedt bis heute mit seinem Partner Holger Cordes mehr als 550 Regionalligaspiele geleitet hat und dabei rund 9000 Reisekilometer hinter sich gebracht hat.

Was ist es dann? „Es macht einfach Spaß“, lautet die einfache Erklärung Hustedts, „im Laufe der Zeit hat man viele Bekanntschaften gemacht, die auch auf diese Weise gepflegt werden können.“ Der 40-Jährige ist auch ansonsten in vielen Hallen als Zuschauer dabei.

Hustedt pfeift für den TSV Daverden mit seinem Freund Holger Cordes. Nach einem Jahr Fußballerfahrung ist er als Fünfjähriger zum Handball gekommen und hat dort immer im Tor gespielt – wie sein Schiedsrichterpartner auch. Nach dem Motto „wer will denn noch Schiedsrichter werde, ach mach‘ du mal...“ hatte er plötzlich einen neuen Job und ist als 18-Jähriger gleich durch die harte Schule gegangen. „Die Leitung von Altherren-Spielen bringt Erfahrung“, erinnert sich der Optiker, der bei Fielmann in Bremen in der Filialleitung tätig ist.

Bei Fielmann (Hustedt: „Beim größten Partnerschafts-Institut Deutschlands.“) hat er auch seine Frau Kristina kennengelernt und ist der „Liebe wegen“ nach Delmenhorst gezogen. Seine Töchter Leonie (10) und Lucie (6) konnte Volkmar Hustedt, der in Walsrode geboren und schon früh nach Daverden gezogen ist, nicht für den Handball begeistern. Die Interessen sind da eher musischer und kreativer Natur. Wie bei Kristina Hustedt auch. Sie hat gerade am Wilhelm-Tell-Weg in Delmenhorst ihren Puppenladen „Rumpelstilzchen“ eröffnet.

Hustedt und Cordes leiten in der Regel zwei Regionalligaspiele im Monat. Aber auch Begegnungen in unteren Klassen stehen auf dem Programm. Manchmal leitet das Duo drei Partien an einem Wochenende. Was ist schwerer zu leiten, Spiele der Regionalliga oder der Regionsliga? „Ganz klar, die Partien der unteren Ligen“, sagt Hustedt, „da sind Spieler aktiv, die den Sport entweder noch nicht so beherrschen oder auf dem absteigenden Ast sind. In den höheren Ligen geht es zwar härter aber auch fairer zur Sache.“

Das seit über 15 Jahren praktisch „zwangsverheiratete“ Gespann Hustedt und Cordes gelten als eher passiv leitende Unparteiische, die den Spielfluss nicht so gerne unterbrechen. „Du musst als Schiedsrichter unauffällig sein“, gibt Hustedt seine Erfahrung preis, „musst auch einmal durch kurze Ansprachen die Spannung aus der Begegnung nehmen.“ Beim Spiel TS Hoykenkamp gegen Neuenhaus/Uelsen fand Hustedt sogar Zeit zu einem kleinen Pläuschchen mit den Zuschauern.

Bei den Schiedsrichterbeobachtern kommt diese Art der Spielleitung nicht immer so gut an, weil das Thema „Fingerspitzengefühl“ auf den Bewertungsbögen nicht vorkommt. „Wir legen die Regeln vielleicht manchmal ein wenig lockerer aus“, sagt Hustedt, „wir lassen auch schon einmal Fünfe gerade sein.“ – „Wir lieben doch alle unseren Handballsport und deshalb sitzen Spieler und Schiedsrichter in einem Boot. Das fährt nicht, wenn in unterschiedliche Richtungen gerudert wird.“

Es sei wichtig, glaubt der erfahrene Schiedsrichter, als Referee rechtzeitig ein Spiel lesen zu können und wenn notwendig früh ein Zeichen setzen: „Wenn die Fronten geklärt sind, kann man die Zügel ja wieder ein wenig schleifen lassen.“

Unerfahrene Schiedsrichter würden von den Mannschaften ausgetestet, hat Hustedt beobachtet. „Uns passiert das nur noch selten. Man kennt uns und da wir immer nach unserer Linie pfeifen, haben wir es da leichter.“

Natürlich haben auch Hustedt und Cordes sich schon Anpöbeleien gefallen lassen müssen. „Ich kann das aber leicht abschütteln“, sagt Hustedt, „im Handball ist das im Gegensatz zum Fußball leichter möglich, nach während des Spiels hoch gekochten Emotionen anschließend gemeinsam noch ein Glas Bier zusammen trinken zu können.“ Die Disziplin werde im Handball ohnehin sehr groß geschrieben. Das in einer Sportart, in der es zu ständigem Körperkontakt kommt. Viel Zeit zum Lamentieren bleibt auch nicht. Das Spiel sei durch Regeländerungen und bessere Athletik der Spieler nämlich noch schneller geworden. Das stellt auch größere Ansprüche an die Physis der Schiedsrichter.

Zwei Jahre wollen Hustedt und Cordes noch Regionalliga pfeifen, dann soll der Blick „mit gebremstem Schaum“ mehr auf tiefere Ligen gerichtet werden. Hustedt würde sich nach der aktiven Zeit auch gerne an den Zeitnehmertisch setzen und „sich anschauen, was die anderen so machen...“

Was würde Hustedt eigentlich einem Jungschiedsrichter raten? „Ich würde ihm sagen, dass es eine schöne Aufgabe ist und dass er sich seiner Verantwortung bewusst sein muss. Wenn der Ehrgeiz vorhanden ist, kriegt er von allen Verbänden auch viel Unterstützung.“ Ein Problem sei, dass die jungen Schiedsrichter oft alleine gelassen würden. In den Vereinen sollte immer ein erfahrener Schiedsrichter an die Seite des Nachwuchses gestellt werden.

Hustedt wird dem jungen Referee sicher auch sagen, dass er als Schiedsrichter keine Reichtümer ernten kann. Übrigens: Die 45 Euro pro Spiel müssen auch noch versteuert werden. Das Schiedsrichtertum gilt nicht als Ehrenamt.

Berichte aus dem Weserkurier vom 03.07.2009

Das Timeout des Falschparkers

Daverden. Nicht weniger als 540 Pflichtspiele haben Volkmar Hustedt und Holger Cordes in den vergangenen 14 Jahren zusammen geleitet. 540 Pflichtspiele, in denen es an kuriosen Begebenheiten nicht gefehlt hat. Für das unverkrampfte Verhältnis, das die beiden Daverdener zu ihrer Aufgabe als spielleitender Instanz haben, spricht besonders eine für Volkmar Hustedt nicht unbedingt schmeichelhafte Anekdote, über die mancher Kollege wohl den Mantel des Schweigens ausgebreitet hätte, die der Wahl-Delmenhorster aber ganz gezielt aus seinem reichhaltigen Arsenal herausgepickt hat: "Bei einem Spiel in der Werder-Halle, das wir pfeifen mussten, hatte ich mein Auto in der Ausfahrt der benachbarten Schule geparkt. Während die Begegnung lief, kam dann die Durchsage des Hallensprechers, das Fahrzeug möge auf Geheiß des Hausmeisters entfernt werden." Hustedt reagierte, indem er die Partie per Schiri-Timeout unterbrach, um dem Werder-Manager den Schlüssel aushändigen zu können. Das Publikum reagierte mit großer Schadenfreude ("Schiri, wir wissen, wo dein Auto steht", wurde im Chor gesungen), der Unparteiische mit der ihm eigenen souveränen Gelassenheit. "Letztlich haben sich alle über den Vorfall amüsiert."
Kurioses aus Köthen
Über ein ungewöhnliches Vorspiel zu einer Regionalliga-Begegnung bei der HG 85 Köthen können die beiden Daverdener ebenfalls berichten. "Dort wurden an einem letzten Spieltag gleich acht Spieler verabschiedet, denen man offenbar einen angemessenen Abgang verschaffen wollte. Also ließ man Motorräder und ein VW-Cabriolet in die Halle fahren, schließlich sogar eine ausgesprochen leicht bekleidete junge Frau einlaufen. So einen Service gibt es nur bei Handballspielen in Sachsen-Anhalt."

Hustedt und Cordes pfeifen rund 20 Regionalliga-Spiele (Frauen und Männer) pro Saison. So kennen sie gerade in der dritten Liga sehr viele Spieler aus dem Eff-Eff. Hustedt: "Und sie kennen ja auch uns inzwischen, wissen, wie wir pfeifen, und können sich darauf einstellen." Wer es nicht kann oder will, wird mit progressiver Bestrafung zur Räson gebracht. "Wir kennen unsere Pappenheimer." Kollege Cordes gibt übrigens bereitwillig zu, dass er als bis zum Ende der vergangenen Saison aktiver Spieler "nicht immer der Einfachste war" im Dialog mit den Schiedsrichter-Kollegen. Da gab es manch verbales Scharmützel, wenn er eine Entscheidung nicht nachvollziehen konnte.

Alles in allem, so die übereinstimmende Meinung der beiden Daverdener, ist das Amt des Schiedsrichters in den vergangenen Jahren schwieriger geworden. "Das Spiel wird immer schneller, und damit werden auch die Anforderungen an die körperliche Verfassung der Unparteiischen immer höher", so Volkmar Hustedt, der aus diesem Grund die im Handball für Schiedsrichter geltenden Altersgrenzen auch befürwortet. Selbst müssen die Daverdener hart an ihrer Physis arbeiten, um auf Ballhöhe zu bleiben. Unter anderem müssen sie 2,4 Kilometer in 14 Minuten laufen können, um den Nachweis ihrer Fitness zu erbringen.
 


Bonus-Spiele das Salz in der Suppe

Daverden. Mit den Schiedsrichtern verhält es sich genauso wie mit den anderen handelnden Personen auf dem Handballfeld: Sie müssen topfit sein, müssen eine taktische Linie durchhalten und schließlich versuchen, die Fehlerquote niedrig zu halten. Nicht zuletzt können sie auch auf- und absteigen. Und in dieser Hinsicht haben Holger Cordes und Volkmar Hustedt vom TSV Daverden etwas geschafft, was selbst den Spitzenvereinen im Kreis Verden, der SG Achim/Baden bei den Männern und dem TV Oyten bei den Frauen, verwehrt blieb: Sie behaupten sich schon seit dem Jahr 2000 in der Regionalliga.

Nach Abschluss der vorigen Serie lag das Gespann vom TSV Daverden auf Platz fünf im Ranking. Ein "Zeugnis", das im Wesentlichen auf den Bewertungsbögen der Schiri-Beobachter, aber auch auf den Beurteilungen der Vereine fußt. Dass Cordes/Hustedt beim zweiten Kriterium noch besser abschneiden als beim ersten, liegt sicher an der taktischen Ausrichtung des Gespanns: "Wir pfeifen eher passiv, was dem Spielfluss förderlich ist, und wir pflegen den Small Talk, was deeskalierend wirkt oder auch Eskalationen vorbeugt", verrät Volkmar Hustedt. Holger Cordes hat dafür noch eine plakativere Umschreibung in petto: "Wir wollen eigentlich überhaupt nicht wahrgenommen werden." Womit es zumindest in diesem Fall doch einen wesentlichen Unterschied zwischen den Parteiischen, den Spielern, und den Unparteiischen gibt: Die einen wollen glänzen, die anderen möglichst unauffällig agieren.

Das gepflegte Laisser-faire dokumentiert sich in einer vergleichsweise geringen Zahl von Roten Karten, die Cordes/Hustedt "ihren" Mannschaften zeigen. Was nicht heißt, dass Übeltäter auch bei klaren und heftigen Regelverstößen auf Gnade vor Recht hoffen können. Volkmar Hustedt: "Ich wollte eigentlich meine Schiedsrichter-Laufbahn beenden, ohne jemals einen Ausschluss verhängt zu haben, doch vor zwei Jahren musste es doch einmal sein." Der Schiri setzte allerdings auch in diesem Fall auf Kommunikation: "Wir haben hinterher zusammen ein Bierchen getrunken, die Angelegenheit besprochen und Einsicht erwirken können." Mit ihrem pädagogischen Ansatz haben die beiden Daverdener sich eine hohe Akzeptanz bei den Mannschaften und viele Sympathien erworben.
Zum vierten Mal THW Kiel

So sind Cordes/Hustedt in der Regel die ersten Ansprechpartner, wenn die Vereine sich in der Sommerpause mit attraktiven Gegnern messen. Sie haben schon Stars wie Stefan Lövgren, Marcus Ahlm und Staffan Olsson nach ihrer Pfeife tanzen lassen. Am 31. Juli empfängt der ATSV Habenhausen den THW Kiel zum Freundschaftsspiel. Die Einladung für die Schiedsrichter ging nach Daverden und Delmenhorst (wo Volkmar Hustedt seit gut zehn Jahren lebt). Es wäre dann schon das vierte Mal, dass die langjährigen Regionalliga-Unparteiischen ein Match mit den "Zebras" leiten. Cordes/Hustedt pfiffen außerdem Premium-Freundschaftsspiele der SG Achim/Baden mit Gastmannschaften wie den Nationalteams von Tschechien und Japan. "Diese Bonus-Spiele sind für uns das Salz in der Suppe, der Lohn für das in der Punktrunde Erarbeitete. Macht uns einen Riesenspaß, Spiele von solchen Topmannschaften zu pfeifen und entschädigt für den Aufwand, den wir betreiben müssen", so Volkmar Hustedt.

Entschädigt auch ein bisschen dafür, dass die beiden Daverdener beim Verband offenbar nicht so hoch in der Gunst stehen, wie das bei den Vereinen ganz zweifellos der Fall ist. Seit 1995 bilden sie ein Gespann, schafften dann binnen nur fünf Jahren den Sprung in die Regionalliga. Dann aber stagnierte die Karriere. Andere Gespanne wurden den "Bremern" vorgezogen, möglicherweise aufgrund der wirkungsvolleren Lobbyarbeit in den größeren Nachbarverbänden. Inzwischen ist der Zug abgefahren. Holger Cordes (46) hat vier Jahre vor dem Erreichen der Altersgrenze keine Chance mehr auf eine Beförderung.

Volkmar Hustedt kann damit aber durchaus leben. "Wenn uns die Bundesliga angeboten worden wäre, hätten wir sicher nicht ablehnen können, doch der Aufwand ist auch so schon groß genug." Der bei der Filiale einer Fachhandelskette in Bremen angestellte Optiker will auch noch Zeit für Frau und Töchter (Leonie ist neun, Lucie fünf) zur Verfügung haben, der ebenfalls verheiratete Holger Cordes - er ist Justizbeamter beim Oberlandesgericht Bremen - spielt gerne Tennis.

Rund 50 Pflichtspiele - darunter 20 in der Männer- und Frauen-Regionalliga - leiten die Daverdener pro Saison. Dazu kommen Begegnungen von der Oberliga bis zur Kreisoberliga. In seltenen Fällen können es drei Spiele an einem Wochenende werden. In nicht seltenen Fällen gehen acht Stunden für ein einziges Spiel drauf. Volkmar Hustedt: "Man darf nicht nur die reine Fahrtzeit beispielsweise nach Magdeburg sehen. Wir müssen ja bereits eine Stunde vor Spielbeginn da sein. Und hinterher kommt noch die Nachbereitung."

540 Pflichtspiele hat das Duo seit 1995 absolviert. Per anno kamen dabei rund 8000 Reisekilometer zusammen. Cordes und Hustedt wechseln sich mit dem Fahren ab, abhängig davon, ob es in die Richtung des einen (Daverden) oder des anderen (Delmenhorst) geht. "Klar, dass man da nicht nur auf der Platte harmonieren, sondern auch privat gut miteinander auskommen muss", so Volkmar Hustedt. "Wir sind schon fast zwangsverheiratet, verbringen am Wochenende mehr Zeit miteinander als mit der Familie."

Da fügt es sich gut, dass die Partner aus ganz ähnlichem Holz geschnitzt sind. Beide sind als Handballer beim TSV Daverden groß geworden, und beide haben sie das Torwart-Handwerk gelernt. Und nach Übernahme des Schiri-Amts zog es beide bald in die dritte Mannschaft des TSV Daverden (aktuell 1. Kreisklasse), wobei es aus Zeitmangel auch da nur zu einer Handvoll Einsätze reichte. Während Volkmar Hustedt sich nach Beendigung seiner Schiedsrichter-Laufbahn an den Zeitnehmertisch begeben möchte ("Mal gucken, was die anderen machen!"), will Holger Cordes dem Handballsport Lebewohl sagen, wenn er erst einmal 50 ist.
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